Freitag, 16. Juli 2010

die erste Pressemitteilung zum Kolloquium




Ein "Wunderhorn" und die Folgen

Kolloquium in Koblenz befasst sich mit dem Romantiker Clemens Brentano

Auch wenn er zu den berühmtesten Koblenzern gehört - seine Vaterstadt (oder besser: Großmutterstadt) hat Clemens Brentano bisher nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Kein Literaturpreis, der nach dem Romantiker benannt wäre, und ein Brentano Kolloquium 1989 blieb ein Einzelstück. Dank einer privaten Initiative, die auf großes Interesse und die Bereitschaft zur Unterstützung stieß, erlebt die Veranstaltung nun eine Renaissance. Vom 10. bis 12. September gibt es in Ehrenbreitstein, in Nachbarschaft zu dem Haus, in dem Brentano am 9. September 1778 geboren wurde, wieder ein Brentano Kolloquium, das künftig alle zwei Jahre stattfinden soll.
Maximiliane, die älteste, mit dem betuchten Frankfurter Kaufmann Peter Anton Brentano verheiratete Tochter Sophie La Roches, brachte ihren Sohn im großmütterlichen Haus in der Hofstraße zur Welt. Taufpate war der letzte, in Ehrenbreitstein residierende Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus, in dessen Diensten Michael La Roche als Kanzler stand. Auch einen Teil seiner Kindheit verbrachte Brentano mit seiner Schwester Sophie bei der Großmutter, vor allem aber bei seiner Tante Luise Möhn, "in strenger und unmütterlicher Zucht", wie er es selber umschreibt. 1793 verlor er seine Mutter, die während ihrer Ehe mit dem potenten Gatten nahezu dauerschwanger war, vier Jahre später starb auch der Vater. Materielle Not kannte er trotzdem nicht, konnte leichten Herzens auf ein Brotstudium, auf einen festen Beruf verzichten und sich ganz seinen poetischen Ambitionen widmen.
Bereits das Medizinstudium, das er in Jena, einer Keimzelle frühromantischen Gedankenguts, 1798 aufnahm, war eher Fassade als wirkliches Bedürfnis. Hier begann Brentano mit der Arbeit an seinem zweibändigen Roman "Godwi oder das steinerne Bild der Mutter", darin eingebettet seine erste Loreley-Ballade, hier lernte er seine erste, sieben Jahre ältere, noch mit einem Professor verheiratete Frau kennen, die Schriftstellerin Sophie Mereau, die nach langem bedrängendem Werben ihren Widerstand aufgab und ihn 1803 in Marburg heiratete - die erste in einer Kette wenig geglückter Beziehungen zu Frauen.
Bei einem Gastsemester in Göttingen traf Clemens Brentano mit Achim von Arnim zusammen, unternahm mit ihm 1802 die legendäre, als Geburtsstunde der Rheinromantik gefeierte Reise auf dem Rhein. Zu ihren Früchten gehörte die Volksliedersammlung "Des Knaben Wunderhorn". Das Brentano Kolloquium beschäftigt sich mit beidem, mit der Rheinreise und der Liedersammlung. "Wir hoffen, dass wir gerade damit natürlich im Welterbe Mittelrhein auf große Resonanz stoßen und Brentano einem möglichst breiten Publikum wieder näherbringen", kommentieren die Initiatoren und Organisatoren des vom Kulturamt Koblenz veranstalteten Kolloquiums. Mit im Boot sind die beiden Bibliotheken vor Ort, die Universität, die Koblenz Touristik, der Verein Kulturraum Ehrenbreitstein und nicht zuletzt das Freie Deutsche Hochstift, das Zentrum der Brentano-Forschung, das gegenwärtig auch die Ausgabe seiner Werke betreut.
Die Veranstaltung startet mit Ausstellungen, mit einer Ausstellung über Koblenz, Brentano und den Rhein im Mutter Beethoven-Haus und einer Präsentation von Illustrationen, die Editha Pröbstle zu Werken Brentanos geschaffen hat. Höhepunkt des ersten Tages ist ein in Kooperation mit den Kammerkonzerten Koblenz angebotener Liederabend im Coenen Palais. Der österreichische Bariton Wolfgang Holzmair, der als Lied- und Opernsänger in den internationalen Konzertzentren auftritt und am Salzburger Mozarteum lehrt, singt ein Programm rund um "Des Knaben Wunderhorn", in dem Bekanntes wie die Mahlerschen Vertonungen neben absoluten Raritäten zu hören ist. Begleitet wird er von der gleichfalls am Mozarteum als Lehrerin arbeitenden Pianistin Therese Lindquist. Wenig später wird eine CD mit dem Programm des Liederabends veröffentlicht.
Der zweite und dritte Tag stehen ganz im Zeichen von Vorträgen, deren Referenten sich mit den verschiedenen Aspekten des Themas beschäftigen, von der Rheinreise Brentanos und Arnims über die Kulturgeschichte der Rheinlandschaft bis zur romantischen Landschaftswahrnehmung, vom Rhein in der Literatur des frühen 19. Jahrhunderts bis zur Entstehungsgeschichte von "Des Knaben Wunderhorn". Die 1806 bzw. 1808 erstmals veröffentlichte dreibändige Sammlung wurde rasch so populär, dass nicht nur zahlreiche Kunstlieder im Volkslied-Ton entstanden, sondern dass die originalen Wunderhorn-Texte von zahlreichen Komponisten vertont wurden. Gewissermaßen an einer der Quellen des "Wunderhorns", in Heidelberg, lebt als Schriftsteller, Kritiker und literarischer Stadtführer Michael Buselmeier. Der jüngst mit dem Ben Witter-Preis Ausgezeichnete liest am 11. September, 20 Uhr im Coenen Palais aus seiner 2005 veröffentlichten Anthologie "Der Knabe singt`s im Wunderhorn" mit Texten und Gedanken zeitgenössischer Autoren über die folgenreiche Sammlung.
Um den Rhein, der in Leben und Werk Brentanos insgesamt eine so wichtige Rolle spielt, kreist auch ein visualisiert dargebotenes Hörspiel der in der Pfalz geborenen, in Berlin lebenden Ute-Christine Krupp mit dem Titel "Strom - Strömung" über die Gedanken der Passagiere an Bord eines Rheinschiffs. Mit ihm endet am Sonntag, 12. September, 15.30 Uhr das Kolloquium. Im kommenden Jahr sollen die Vorträge dann auch Schwarz auf Weiß, in gedruckter Form vorliegen.

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